Donnerstag, August 17, 2006

Ebend bekam ich eine Email eines notleidenden Freundes. Ihr wisst schon wer es ist:

gestern habe ich zum ersten mal begriffen, dass ich geldprobleme habe.
im blue moon auf fritz gab es eine sendung zum thema geldnot, geldsorgen/schuldenfallen.
da hab ich interessiert zugehört, wollte anrufen,
bis mir klar wurde, dass ich ja gar kein telefon habe.

Montag, August 14, 2006

Raupe aus Glendalough

Gestern nutzte ich den Sonntag mal nicht zum ausgiebigen Nichtstun, sondern fuer einen Sonntagsausflug in die Wicklow Mountains, gennauer gesagt nach Glendalough. Mir ist schnell aufgefallen, dass die Iren und die Besucher der Insel andere Vorstellungen eines Sonntagsausfluges haben, als der durchschnittliche Wannsee-Besucher in Berlin. Die wandern wirklich.

Ein langgestrecktes Tal. Zwei tiefdunkle Seen. Mischwald und Gestruep von Felsen unterbrochen. Alles so typisch irisch gruen. Auf den Bergen staendiger steifer Wind. Wanderwege.

Um die Seeen herum ging der weisse Pfad. Teilweise sehr steil. Ich kam schnell aus der Puste. Von der Einsamkeit des Wanderns, die man sich bei Irland vorstellt, war nichts zu spueren. Familien, Hunde, Kinder, alles quirlte herum. Selbst kleine Kinder tapsten auf unsicheren Fuessen den Pfad hinauf. Immer wieder diese modischen Hiker, mit diesen modischen Hiking-Stoecken.

Ich genoss es. Raus aus dem Buero. Beeilte mich. Keuchte bald. Immer wieder lagen auf dem Weg zertrampelte Raupen. Die waren aufgeplatzt und tiefgelbe Innerreien herausgequollen. Schliesslich fand ich eine, die noch lebte und sich ihren Weg uber den Pfad bahnte. Sie war gross, braun und haarig. Ich nahm sie mit. Ich wollte nicht, dass sie auch noch als gelber Fleck endet. Oben auf dem Berg war es windig und die Raupe krallte sich mit kleinen Haken in meinen Arm. Kribbelte. Schliesslich wurde sie aber doch weggeweht. Die anderen Wanderer haben so seltsam geschaut, wie ich sie da ueberholte, hechelnd, mit einer grossen, haarigen, braunen Raupe auf dem Arm.

Dienstag, August 08, 2006

Bin nicht geschaffen für die Konsumwelt

Neulich bin ich Shoppen gegangen. Das gehoert ja zu den dazugewonnenen Privilegien, seit dem ich in einem Vollzeitbeschaeftigungsverhaeltniss stehe. Es gibt da ganz in der Naehe meines Hauses das Dumdrum-Town-Center, eine riesige Shopping-Mall nach amerikanischem Stil, so wie das Ring Center nur groesser. Fast nur mit Klamottenlaeden voll gestopft.

Ich wollte mir eine Jogginghose kaufen. Also ging ich in eines dieser Sportgeschaefte. Die hatten da ganz viele Jogginghosen. Ich glaub ich bin nicht geschaffen fuer die Konsumwelt. So viele Marken. Und dann noch verschiedene Hosen von einer Marke und in verschiedenen Groessen. Und in ganz verschiedenen Preisen. Ich probierte ein paar an. Hab mir nicht merken koennen, welche mir nun gepasst hat, welche zu klein war und ich deshalb noch mal die naechst groessere anprobieren wollte, welche billig war und welche huebsch war. Etwas verwirrt verliess ich den Laden.

Dann entdeckte ich Penneys. Bei Penneys hatten sie gar keine Jogginghosen. Dafuer aber ganz, normale Hosen. Eine davon kaufte ich. Sie hatten zwei Modelle zur Auswahl und die dann in ganz verschiedenen Groessen, wo auch eine dabei war, die mir gepasst hat.

Im Osten hat man immer das gekauft, was es gerade gab. Spaeter bin ich auch nicht gern Einkaufen gegangen. Zum Glueck wurde ich dann vom Studium erloest. Die Armut meines Studentendaseins nahm mir viele Entscheidungen ab. Bei Lidl und Aldi gibt es nur eine begrenzte Auswahl und nach ein paar Besuchen kannte ich mich in jeder Filiale gut genug aus, um das Roggenvollkornbrot zu 0,39€, den Doppelpack Pizzen zu 2,49€ (Dreifachpack bei Salami) oder die Matjesfiles zu 0,99€ (drei verschiedenen Gewuerzmischungen) zu finden.

Zwischendurch konnte ich mir noch die Aktionsware anschauen und mich darueber aergern, dass ausgerechnet das, was ich mir kaufen wollte, schon wieder weg war.

Manchmal traff ich noch Freunde, auch alles Studenten, und es wurde etwas getrascht. Bei Sebastian hab ich mir zwei- oder dreimal den Spass gemacht ihn um Drogen anzubetteln. Er hat dann immer so betreten weg geschaut. "Nur ein bisschen! Du kriegst das Geld auch bald. Und das vom letzten mal. Ich brauch was! Bitte!" Und dabei hab ich mich an seine Jacke gehaengt. Er hat mir aber nie was gegeben.

Ansonsten hab ich halt immer gekauft, was halt gerade billig war. Oder ich hab wochenlang vorher im Internet oder Bibliotheken recherchiert, was denn nun was taugt und wo es billig ist. Bin dann meist bei Ebay gelandet. Aber Shopping. Nur so mal schnell shoppen gehen. Und auch noch zum Spass! Nicht meine Welt. Vielleicht kommt das ja noch. Zusammen mit meiner Verwandlung zum Bueromenschen.

Montag, August 07, 2006

Die Verwandlung

Als ich heute Morgen aufgewacht bin, war irgendwas anders. Keine Ahnung. Nur so ein Gefuehl halt.

Mir gingen so komische Gedanken durch den Kopf. Sehnsucht nach einem Schreibtisch. Meine Finger zuckten leicht, suchten nach einer Tastatur oder wenigstens nach einem Bleistift und einem Block Papier.

Mein Beine waren schwer und ich wollte mich gleich wieder hinsetzen. Aber nicht auf mein Bett. Das konnte ich nur mir Abscheu betrachten. Ein Bett, das ist gleich Faulheit.

Nein, ich hatte das dringende Beduerfnis mich auf einen Drehstuhl an einen Schreibtisch zu setzen. Meinen Schreibtisch, auf der Arbeit. Mein Telefon rechts, mein Computer direkt vormir, mein linierter Block mit Kugelschreiber zu meiner Linken. Im Hintergrund etwas versteck, damit es die Kollegen nicht gleich sehen, ein Muffin. Ein Becher Kaffee.

Danach sehnte ich mich. Es war mehr, es war eine Sucht. Wie das Verlangen nach der ersten Zigarette am Morgen. Aber so eine Zigarette, die man hinauszoegert, um dieses Gefuehl der Sehnsucht zu geniessen.

Es gab noch andere Veraenderungen, koerperliche. Ich betrachtete mich im Spiegel. Ich hab ueber Nacht ein Bauch bekommen. So einen kleinen, der vom Koerper absteht, wenn man an sich herunter schaut. Ein bisschen wie schwanger, nur mit mehr Falten. Uber meiner Stirn sind mir die Haare ausgefallen. Mein Gesicht wirkt blass-gelblich und eingefallen, die Zaehne beige und leicht durchsichtig, Finger, Nickotin-gelb. Ein leichtes, verklaertes Laecheln umspielt meinen Mund.

Oh mein Gott, ich hab mich in einen BUEROMENSCHEN verwandelt.

Ich zog mich an, graue Hose, dunkelgraues Hemd, meine bequemen braunen Lederhalbschuhe. Schnell ein Kaffee, ein Pancake mit Marmelade und ab zur Arbeit, um die sich sowieso schon mein ganzen Denken dreht. Ich kann es kaum noch erwarten. Spannung. Was ist blos aus meinen Faellen geworden, meinen Kunden. Irgendwelche Neuigkeiten, Emails, neue Probleme.

Ich versuchte schnell zu radeln. Bald blieb mir aber die Puste weg, so dass ich langsamer machen musste.

Endlich angekommen. Kaffee geholt. Meine Hand greift zitternd nach dem runden Schalter. Das Windows-Logo, Eingeloggt, Datenbank, Citrix, Outlook und Jabber gestartet. Ein Gefuehl tiefer Befriedigung ueberkam mich, als ich dann das erste mal das bekannt Tringeling meines Telefons hoerte. Meine Fingerkuppen tasteten nach der bekannten Stellung, Zeigefinger uber dem F und dem J. Augen starr gerade aus auf den Bildschirm gerichtet. Leerer Blick, stetig hin und her gleitend, entlang den Zeilen.

Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein.

Allen Bueromenschen in allen Buerotuermen dieser vielzuwenig verwalteten Welt gewidmet.