Montag, Juli 17, 2006

Belfast

Am Wochenende war ich in Belfast. Ein Tag haett auch gereicht. Sonntag hab ich mich gelangweilt.

Die Belfaster wirken nicht so entspannt, wie die Dubliner. Die Jugend laeuft auch in abgerissereren Sachen rum, als Stil, nicht, weil sie kein Geld haben. Viele Maenner sind auf den Armen taetowiert. Ein Paerchen schreit sich auf der Strasse an. Viele Gebaeude sind mit einem massiven Zaun umgeben, oft mit Stacheldraht obendrauf. In meine Jugendherberge kommt man nur nach klingeln und durch eine zweite Sicherheitstuer hinein. Davor sind die Bordsteinkanten blau, rot und weiss bemalt, den Farben des Union-Jack, genauso wie die Laternen. Ueber der Strasse haengen Seile mit - dem Union-Jack.

Als erstes hab ich mir das Problemviertel angeschaut. Katholiken (auch Republicans genannt) und Protestanten (Royals) leben dicht nebeneinander. Die Ritzen im Strassenpflaster glitzern von den Glassplittern geworfener Flaschen unterbrochen von schmierigen Brandflecken und geschmolzenem Plastik. Wenig Gruen, wenig Menschen. Die Polizei patrolliert in schwergepanzerten, aber wenigen Wagen, die Polizeistation hat eine extra bombensichere Mauer.

Die beiden Parteien werden meist von einer Peace-Line voneinander getrennt. Das ist eine Mauer oder ein massiver Zaun, manchmal mehr als 20m hoch, wahrscheinlich damit keiner Flaschen rueber werfen kann. Unterbrochen ist die Peace-Line durch Tore, die Nachts und am gesamten Wochenende geschlossen sind.

An einigen Hauswaenden sind Murials gemalt. Aehnlich der East-Side-Gallery auf der Berliner Mauer (Wobei aber die Gemeinsamkeit mit der Berliner Mauer auch schon aufhoert. Die beiden Berliner Haelften haben sich nicht so gehasst.) Bilder von schwarz angezogenen Kaempfern, Gedenkbilder von Getoeteten oder im Knast im Hungerstreik gestorbenen. Die sich in der Minderheit befindenden Katholiken identifizieren sich auf ihren Murials mit den Palaestinensern. Sie fuehlen sich auch von einer Uebermacht im eigenen Land unterdrueckt.

Abends sah ich dann noch einen Umzug verschiedener Loyalisten-Gruppen mit Namen wie "Ulster Defender". So 10 bis 30 Maenner marschieren in bunter Uniform, meist in den Farben des Union-Jack, durch die Strassen und spielen Marschmusik auf Floeten und Pauken. Vorne weg laeuft so ein Stabschwenker. Nebenbei laeuft oft ein Ersatzfelltraeger. Die Pauker, die sich anders als der restliche Zug, ausgelassen hin und her bewegen, maltraetieren ihre Instrumente derart, dass Ersatzfelle noch waerend des Umzugs noetig sind. Eine dieser britischen Loyalisten-Gruppen spielte die Melodie von Rosamunde, diesem Lied, mit dem die Deutschen in den I. und II. Weltkrieg gezogen sind. Keine Ahnung ob das aus Versehen war oder ob es ein Lied mit gleicher Melodie auch im Englischen gibt. Wirkte jedenfalls ziemlich skuril auf mich.

Entgegen meiner bisherigen Beschreibung ist der Rest von Belfast aber normal und kann mit vielen kriminalitaetsbelasteten Grossstaedten mithalten. Berlin ist da sicherlich kein grosser Unterschied. Viele Berliner sehen abgerissener aus, auf den Strassen gibt es mehr Alkoholiker und Penner und Friedrichshain, Kreuzberg und Neukoelln koennen mit den Problemvierteln von Belfast heutzutage mithalten.

Ueberhaupt sind die Konflikte stark abgeflaut. Beim letzten traditionellen Oraniermarsch (Loyalisten) ist es nicht mal mehr zu Ausschreitungen gekommen. Im Zentrum reiht sich ein Kaufhaus an das andere und das neue Gerichtsgebaeude hat sogar eine Glasfasade. Demnaechst soll ein Titanicmuseum aufmachen. Die ist hier naemlich gebaut worden.